Redaktioneller Beitrag

 

 

Die Chance in uns hineinzuhorchen

Wir müssen uns damit abfinden, dass wir unser Leben nicht einfach wie gewohnt fortsetzen können. Wir wissen im Moment nicht wie es weitergeht, wie wir wieder an unser bisheriges Leben anknüpfen können.

Doch der erste Schock löst sich bei vielen Menschen und wir passen uns langsam der neuen Situation an. Einige von uns verspüren vielleicht ein leichtes Durchatmen, denn die erste Angst wie überlebe ich und meine Liebsten das Ganze, entspannt sich im Rückzug allmählich. Einige von uns arbeiten von zu Hause aus weiter, einige an der Front. Man erkennt welche Berufe gerade in dieser Zeit für uns alle unentbehrlich sind, ein grosser Dank geht an diese Mitmenschen!

Der Mensch ist ein „Anpassungskünstler“ viele werden Zuhause erfinderisch, neues Potential entfaltet sich. Neue Geschäftsideen und Modelle entstehen mit viel Kreativität und grossem Engagement in Windeseile.

„Der Rückzug aus unserem Alltag bietet neue Möglichkeiten uns völlig neu auszurichten!“

Denn im Rückzug haben wir die Möglichkeit uns völlig neu auszurichten. Vielleicht spüren wir, dass sich etwas ändern muss. Nicht nur in unseren Gewohnheiten im Aussen sondern auch in unserem Inneren. Die Welt spricht von Nachhaltigkeit, dass wir unsere Ressourcen sinnvoll nutzen sollen. Wie kann ich mich in mir nachhaltig verhalten und meine inneren Ressourcen sinnvoll nutzen?

Für mich geht es in die Richtung ehrlich und wahrhaftig zu sein, mit mir und mit meinen Mitmenschen. Ehrlich und wahrhaftig bin ich, wenn ich all meine Facetten wie auch die Angst in mir betrachte und sie beginne neu zu modellieren und sie positiv zu verändern. Dabei gilt es persönliche Ansichten, Muster und Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen und je nach Erkenntnis, alles was nicht mehr zu mir passt zu „kompostieren“ und aus meinem System zu löschen.

„Was hat das Thema Tod mit Corona zu tun?“


Doch was ist es denn eigentlich, was uns Menschen in den letzten Tagen und Wochen beschäftigt? Von den Medien werden uns laufend Angst und Panik vermittelt. In solchen Situationen haben wir die Möglichkeit, tief in unsere Angstfragen einzudringen, um ihr auf den Grund zu gehen und keine Angst vor den eigenen Antworten zu haben. Ihnen jetzt auszuweichen ist eine verpasste Chance.

Was wäre, wenn ich mich mit diesem Virus anstecken würde? Was, wenn ich oder andere in meinem Umfeld daran sterben würden? Habe ich mich die Frage nach dem Tod überhaupt schon einmal gestellt?

Viele Fragen sind bisher unbeantwortet. Wer konnte sie bis jetzt nicht laut aussprechen und hat sie nur für sich behalten? Unangenehme Themen sprechen wir nicht gerne an. Vielleicht wird es Zeit, sie zu benennen? Als Medium habe ich täglich mit Menschen zu tun, die jemanden Nahestehenden verloren haben. Meine Erfahrung zeigt, dass es meinen Klienten einfacher fällt den Verlust eines Menschen anzunehmen, wenn sie sich bereits im Leben mit der Vergänglichkeit befasst haben.

„Alles beginnt bei mir“

Denn die Endlichkeit ist bei vielen Menschen immer noch ein Tabuthema das Ungemach auslöst, ob begründet oder unbegründet, dies ist sehr individuell. Der Tod gehört wie die Geburt zu unserem Leben. Wir wissen, dass wenn wir physisch auf die Erde kommen, auch einmal der Zeitpunkt naht, wo wir physisch diese Erde wieder verlassen. Durch Corona bekommen wir die Chance, sich mit der eigenen Endlichkeit zu versöhnen und dadurch ein bewussteres Leben zu leben.

Sich mit der eigenen Endlichkeit versöhnen

Seit einigen Jahren sind viele Menschen wie auch ich als ausgebildetes Medium im Aussen bemüht, mehr über das Thema Sterben und Tod zu sprechen. Mit Blog-Beiträgen, Podiumsgesprächen und Artikeln wie diesen, möchte ich auch jungen Menschen näherbringen, dass es sich lohnt sich seinen Ängsten zu stellen. Dies gelingt vielen von uns im Austausch miteinander. Sich gegenseitig anzuvertrauen was einem im Sterben und bei der eigenen Beisetzung wichtig ist. Es kann sehr befreiend sein, diese wichtigen Dinge im Leben nicht von sich zu stossen, sondern ihnen versuchen zu begegnen bevor es so weit ist! Denn es geht ja nicht nur um uns selbst. Bereits früh in unserem Leben können wir mit dem Tod eines nahestehenden Menschen konfrontiert werden. Stark zu sein für andere Menschen die es im Moment nicht sein können, weil sie zu nah betroffen sind. Zu wissen, was sich dieser Mensch als Letztes für sich gewünscht hat ist unglaublich wichtig.

Meine eigenen Erfahrungen im meinem Umfeld zeigen, dass immer noch ungern über das eigene Ableben und die damit verbundenen administrativen Angelegenheiten offen geredet wird. Viele der Heute erwachsenen Kinder wissen nicht, was ihren Eltern wichtig ist. Welche Vorstellungen und Wünsche sie haben.

Gemeinsam neue Wege gehen in Form eines Netzwerks

Als Medium und Mensch ist es mir ein Anliegen, mich dem ganzen Thema und dem Danach anzunähern. Durch meine Klienten bin ich immer wieder nah mit der Endlichkeit verbunden, die für mich nur in der körperlichen Form endet. Die Verstorbenen zeigen mir eindrücklich, dass sie in einer geistigen Form weiterleben. Dies hat mich dazu veranlasst, seit ein paar Jahren ein Netzwerk aufzubauen mit Menschen, die am Puls dieses Themas mitwirken und mit der Zeit gehen. Zum Beispiel: Die auflösbaren Wasserurnen der Berner Keramikerin Nathalie Heid. Jede ihrer Urnen kann in Ruhe dem Wasser übergeben werden. Die herzensgute, empatische Bestatterin Marianna Reinhard von Finis, welche individuelle Bestattungen und Abschiedsfeiern an verschiedenen Orten auch in der Natur versucht zu ermöglichen. Murielle Kälin von Schlusslicht, die individuelle „letzte Feste“ schreibt und plant an Orten so unterschiedlich wie ihr Klientel. Auch Silvana Pletscher, Geschäftsführerin vom Krematorium Bern zeigt mit ihrem Team, dass man visionäre Wege gehen kann. Zum Beispiel die persönlichen Führungen durch die ganze Anlage, die den Menschen verhelfen Vorurteile und falsche Vorstellungen abzubauen. Zudem dürfen die Verstorbenen beim letzten Gang bis vor den Ofen begleitet werden.

Kann es nicht ein beruhigendes Gefühl sein, wenn man die Gewissheit hat, dass die Liebsten Bescheid wissen was einem persönlich wichtig ist für die eigene letzte Reise?

 

Petra Eichenberger

 

Link Meditation Begegnung zu deinem Verstorbenen in schweizer/hochdeutsch

Blogbeitrag: die Chance für mein Selbst